Donnerstag, 14. Januar 2010

Fallengelassen und liegen geblieben

Er schleppt seine angeschwollenen Füße über den erbarmungslosen Beton. Die Schuhe haben den Widrigkeiten längst nachgegeben und er hofft dass seine Füße es ihnen nicht gleich tun. Er hat sich über die Zeit an so viele Schmerzen gewöhnt, von denen er früher nicht einmal erwartet hätte, sich mit derartigen auseinandersetzen zu müssen. Überhaupt eröffnet einem die Situation eine oftmals ganz neue Sicht auf die Dinge. Wie soll man schon damit rechnen, auf der Straße zu landen? Es passiert halt. Könnte man es planen, so würde man es doch nicht tun. Wenn man erst einmal draußen sitzt, hat man sein Sparschwein bereits geschlachtet. Nach dem Schlachter wird man zum Opferlamm.
Aber der Kopf schaltet sich schon wieder ab. Es ist dieses Jahr einfach zu kalt, um ihn auch nur auf Stand-By zu lassen. Eigentlich hat er ganz andere Sorgen, auch wenn er diese gekonnt verdrängt. Letzte Nacht soll es schon wieder Einer nicht geschafft haben. Der Alkohol hilft gegen die Angst, doch nicht gegen die Tatsache. Bisher hat er jede Nacht noch einen warmen Ort gefunden. Aber die Kälte rückt immer näher, das spürt er. Wie ein alter Bekannter, den man nicht kennen will. Doch man hat zu viele gemeinsame Freunde.

Der eiskalte Wind lässt die Ohren unberührt, dank des verkletteten Kunstfells im Inneren der Kapuze. Die Nase jedoch ragt weit heraus und ist längst so weit erhärtet, dass bereits ein Eiszapfen drunter hängt welcher sich mit dem Bart verbunden hat, wie der Dreck auf der Straße mit dem gefallenem Schnee. Auch wenn die Kälte einen ständig zu bekämpfenden Feind darstellt, brennt sich diese Sorge nicht so tief ein, wie es notwendig wäre. Die Blicke der Anderen legen sich wesentlich schwerer auf die verlorene Seele. Aus dem Herzen gefallen. Irgendwann, als man keine Kraft mehr hatte, aufzupassen. Die Blicke derer, die nicht verstehen wollen. Selbst so geängstigt, dass sie den Ekel nicht mehr spüren, sondern nur noch empfinden. Auch wenn sie denken, sie wären schlauer, er nimmt die Beschleunigung ihrer Schritte wahr. Genauso wie die selbstbetrügend ausweichenden Blicke, nachdem sie erst nicht verzichten konnten, doch zu starren. Unterhaltung aus der wahren Unterschicht, für die, welche sich die Bezeichnung selbstgefällig auf die abgehärtete Brust ritzen. Alles so verquer. Verstehen tut er es längst nicht mehr, auch wenn er für vieles eine Erklärung hat. Selbstaufgestellte Theorien, die ihm helfen mit der Welt klarzukommen, die mit ihm nicht mehr klarkommen will. Denn seinen Weg muss er gehen, auch wenn die Füße nicht mehr wollen. Er ist fast angekommen, zumindest für diesen Abend. Nicht mehr weit, dann wird das Schild im Sichtfeld erscheinen, dass ihm Schutz verspricht für die Nacht.

Doch plötzlich wirft ihn eine Schulter aus der Bahn, an die stärkere Arme herangewachsen sind als seine. Er will sich noch entschuldigen, auch wenn er weiß, dass in diesem Spiel die Schuld nicht zählt. Doch bevor die Sprache den Mund verlassen kann, wird selbige schon von steinharter Faust verschlossen. Die Straße scheint sich mal wieder zu reflektieren in den Augen eines leeren Menschen. Solche Geschichten hatte er schon oft gehört, von anderen Liegengelassenen, und immer gehofft es würde nur ein Alptraum bleiben. Doch jetzt, in diesem Moment, sind die Träume so weit weg, wie die Hoffnungen auf einen weiteren Tag.
Er spürt die Rippen brechen als die gestiefelten Füße ihre inhumane Arbeit verrichten. Die erzwungenen Tränen schießen aus den Augen und vermischen sich, auf den Asphalt rinnend, mit dem Blut, welches aus dem Mund tropft, gleich einer herabgefallenen Sprechblase als Ersatz für die verstummten Schmerzensschreie. Mit jedem Tritt spürt er sich selbst ein bisschen mehr verschwinden, wie das Bild vor seinen Augen. Alles um ihn herum wird allmählich grau, das Blut am Boden als letzte Spur immer schwärzer.

Die Stiefel entschwinden langsam, ganz gemächlich. Scheinbar überzeugt von ihrer Arbeit, denn beschämt. Ein paar Reifen zischen vorbei und werfen ihm noch eine Ladung Dreck in´s Gesicht. Selbst in diesem Moment zeigt ihm die Straße, dass er längst ein fester Bestandteil von ihr geworden ist. Fallengelassen und liegengeblieben, wie nutzloser Müll den man unachtsam
entsorgt. Er ist Dreck, warum sollte er auch anders behandelt werden? Er muss akzeptieren, dass er in dieser Wegwerf-Gesellschaft höchstens den Abfall-Eimer zugesprochen bekam und dies auch nur für beschränkte Zeit. Niemand wollte ihn hier haben. Die Stadt war zu klein für sie beide, ihn und den Rest der Welt. Langsam schließen sich die Augen und er findet sich ab mit einem Wert, der ihm nicht zugesprochen wurde.

Erst einige Stunden später, in den ganz frühen Morgenstunden, kurz bevor die Sonne den Anblick noch erschreckender hätte erscheinen lassen, sieht ihn doch noch jemand als Mensch.
Ein letztes Mal ist er jemandem nicht egal und sie ist bereit Emotionen für einen Menschen zuzulassen, den sie nie kennenlernen wird.
Die Tränen tropfen auf den Beton, den selben der schon seine aufgesogen hat. Jetzt wo er nicht mehr ist, ist er endlich nicht mehr alleine.

Samstag, 2. Januar 2010

Sylvester ohne Kopf

Er blickt ins Firmament über der Stadt und sieht die abgehangenen Rauchschwaden sich vermischen mit der Ansicht der letzten, vereinzelten Explosionen in den gewohnt unnatürlichen Farben. Kurzschlüsse am Nachthimmel durch Milchglas besichtigt. Verfeinert mit dem Geruch von gerade gewichenem Kriegszustand, minus Leichenausdünstungen. Gestorben sind wahrscheinlich nur wenige, die meisten eher seelisch. Wie immer hat das Jahresende dazu beigetragen, dass die Menschen es ihrer selbst aufgestellten Zeitrechnung gleichtun. "Alle rennen raus und meinen sie müssten irgend etwas zerstören, kaputtsprengen. Da muss ich mich anschließen. Aus dem Weg Nutte oder ich steche dich ab wie ein schlachtreifes Schwein!" Aber wofür das Ganze?
"Liegt es in der Natur von uns selbst, ständig etwas Neues zu benötigen oder haben wir das nur gelernt? Sind wir immer unzufrieden mit dem bereits erreichten Zustand? Können wir uns nicht sattfressen? Oder bin das nur ich?"

Durchgeschüttelt von Erlebnissen, die nicht so physisch waren, wie es sich für ihn anfühlt, bestreitet er seinen Weg über den abwechselnden Straßenbelag aus hartgetretenem und schwarzgematschtem Schnee. "Gummistiefel wären jetzt genauso gut wie ein anderer Ausgang mancher Ereignisse." denkt er sich während er eine Portion Schneematsch vor sich hertritt, wie ein Eismann der Gosse. Eine Portion Straßendreck mit einem Schuss Reifenabrieb-Sirup, bitte! Da war mal wieder ein Job, den er ausüben könnte, im Gegensatz zu den genügend anderen, an denen er genauso wenig interessiert ist, wie die Welt an seinen Ideen. Eine weitere Einheit, die Signale abgibt in Zeiten in denen Signale keinen Wert mehr haben.
Ja, er ist heute wieder mal sehr pessimistisch. Besser eine klare Meinung an Neujahr, als nichts zu tun an Silvester, bestätigt er sich mal wieder selbst. Wie so häufig, wenn jemand in seine Welt eingebrochen ist und ihm gezeigt hat, dass auch sein Realitätskonzept doch nur konstruiert ist. Ist halt immer leichter mit dem Finger auf andere zu zeigen, als auf sich selbst!

Er schleicht weiter durch die erstaunlich schnell entmenschlichten Straßen, sich ärgernd, dass Häusern noch keine Füße gewachsen sind. Er kommt sich vor wie auf einem Laufband. Hier war er doch eben schon, warum liegt die Brücke noch nicht hinter ihm? Egal, jedenfalls ist er nicht mehr auf der Party, das reicht schon mal! Er bleibt einfach am Brückengeländer stehen und genießt die Sicht über die zugeböllerte Stadt. Rotpulveriger Schnee unter seinen Füßen und aufgedunsene Knaller-Kadaver im Wasser geben ihm das Gefühl, etwas überstanden zu haben.
Das ging dort auch alles zu schnell! Wie ein Wolkenbruch aus Freude, Irritation und Hinterhältigkeit. Er verstand das alles nicht und wollte es auch eigentlich gar nicht mehr.
Während alle um ihn herum ihr breitestes Alkoholika-Lächeln aufgeklebt hatten und die ein oder andere Person auf ihn einging, als wäre er ein Buch, das es sich lohnte zu lesen, wurde er immer verwirrter und fragte sich wieso die Liebe, wo gestern noch der Hass. Sicher, für Zuneigungen gab es keinen Erklärungsbedarf, doch er fühlte sich so. Als müsste er sich alles erklären, als wäre dies nicht normal. Freundlichkeit, Ehrlichkeit, Sympathie.
Wo war er gewesen, die letzten Wochen oder Monate? Den Sprung hatte er nicht gemerkt, aber er musste da sein. Sein Kopf aus Porzellan musste ihm irgendwann aus den Händen geglitten sein, nur ganz kurz. Schnell wieder aufgehoben und verdrängt. Schnell genug um nicht zertreten zu werden. Doch ausreichend um nicht mehr alles fassen zu können.
War er zu dramatisch? Vielleicht war sein Kopf nicht aus Porzellan. Vielleicht hatte er nur blaue Flecken, ein paar Kratzer. Vielleicht wacht er morgen auf und lacht darüber, dass er dies heute Abend nicht getan hat. Vielleicht wird morgen früh aber auch seine Leiche aus dem Fluss geborgen.
Er blickt hinunter zu der eisigen Strömung und entschließt sich, sofern dass in seinem Ermessen liegt, dies nicht geschieht.

Die Minuten treiben, wie der Silvesterabfall, dahin während er dem Verlauf des Flusses mit seinem Blick folgt, um das runter zu fahren, was er scheinbar zu hoch gefahren hat. Ein Screensaver für das innere Auge. Bevor sich das von ihm dramatisierte Bild in das brennt, was er als seine Seele bezeichnen würde. Worüber andere vielleicht nicht einmal mehr nachdachten. Viel zu hektisch darauf konzentriert, etwas hinterher zu jagen, von dem Sie nicht einmal wussten was es war. Pack, Gesocks, Abschaum! Immer tiefer fraß er sich in seinen eigenen, pathetischen Hass während die andere Seite seines Ichs kleinlaut versuchte ihm klarzumachen, dass alles was er in anderen sieht, eigentlich nur er selber sei. Er versuchte dem eigenen Ego die Fresse zu polieren, doch seine Arme waren einfach nicht lang genug. Es war nicht das erste Mal, dass er in´s Leere schlug. Schon des öfteren hatte er sich zwischen diesen beiden Stühlen gefangen gefühlt. Der eine aus Gummi, der andere mit Nägeln auf der Sitzfläche behaftet. Und wie jedes Mal wollte er diese einfach kaputt schlagen, doch er hatte Angst stehen zu müssen. Er fühlte sich verzweifelt, so wie nur ein Mensch mit Freunden sich einsam fühlen konnte. Eine nutzlose Träne rollte seine gerötete Wange herunter und mischte sich mit dem selbstbefriedigenden Rotzfaden, der unter seiner Nase entlang schlich. Zehn verschiedene Stimmen schienen sich in seinem Hirn anzuschreien, woraufhin er wieder begann den Fluss unter ihm in Betracht zu ziehen.

Plötzlich hörte er jemanden seinen Namen rufen:"....was machst du denn hier in der Kälte alleine draußen, verdammt? Ich hab schon befürchtet du hättest dir einfach so ein Taxi genommen um dich zuhause zu verkriechen!" Sie war es, die ihn hier erst hingetrieben hatte. Weniger mit Worten, als denn mit Taten. Dinge, die ihn dazu veranlassten, sich wieder in sein muffig-selbstverherrlichendes Schneckenhaus zurückzuziehen, weil er keine andere Reaktion gewohnt war. " Na, ausgeheult?" fragte sie ihn, seinen Wunsch nach Mitleid ignorierend, ohne auch nur die Suppe in seinem Gesicht gesehen zu haben, nachdem sie nah genug an ihn heran gekommen war um nicht mehr laut rufen zu müssen. Jetzt brachen alle Dämme und in einer Tonlage aus Mickey Mouse und weiblicher Casting-Show-Gewinnerin fing er an seine unnötigen Vorwürfe runterzubeten: " Was hab ich dir eigentlich getan? Ich will dir doch nur Zuneigung geben und du? Du scheißt auf meine Gefühle, lässt dich auf andere ein während ich auch noch zusehen muss, obwohl du weißt wie mich das verletzt. Und dann nennst du mich Egoist? Ich will doch nur geliebt werden, ist das zu viel verlangt?" Er verstand noch immer nicht seine eigenen Fehler und dass ihn so viele Menschen liebten, er aber nur Hass spürte. Und trotz der Tatsache, dass er sich immer lächerlicher machte, konnte er von seinem gewohnten Reaktionsmuster nicht ablassen. Das, welches er selber so verachtete und trotzdem immer wieder in den Arm nahm.

"Fuck, jetzt reicht´s mir echt. Checkst du´s eigentlich noch, Alter? Du würdest nicht nur von mir wirklich geliebt werden und dies auch spüren, wenn du endlich mal aufhören tätest dich wie ein 6-jähriges Kind aufzuführen. Als fast 30 Jahre alter Mann nachts flennend im Schnee stehen und einer Frau, auf die du scheinbar stehst, etwas vorhalten für was die Frauen Jahrzehnte gekämpft haben, über das sich eigentlich niemand beschwert außer vielleicht zurückgebliebene, reaktionäre Opas und das, wenn du dich mal traust hinzuschauen, dir überhaupt nichts tut. Ich weiß wirklich nicht, was dich dazu getrieben hat, aber etwas nicht Vorhandenes versetzt dich so in Angst, dass du dich selbst verhinderst. Weißt du eigentlich, wer du jetzt bist? Wer du überhaupt bist? Wer du sein willst oder zumindest mal sein wolltest? Das einzige was du wahrscheinlich noch weißt, ist wovor du Angst hast. Und das ist von allem in dir das Unbedeutendste, Hässlichste und ......das einzigste wovor du wirklich Angst haben solltest!"
Sie hat genug von dem Haufen Scheiße, der da im Schnee liegt und darauf wartet, dass man hinein tritt und dreht sich um, bereit zu entschwinden. Doch endlich hat er es begriffen und nach dem Klick hat es Klack gemacht. Er packt sie am Arm, reißt sie zu sich und küsst das erste Mal wirklich. Sie blickt ihn verwirrt an, nicht sicher ob sie ihm jetzt eine klatschen soll oder sich endlich gehen lassen kann. Doch dann kommt das: " Verstanden! Ich schlage vor, wir gehen jetzt erstmal etwas trinken und danach.......naja, mal sehen." mit einem Grinsen, dass ihr klarmacht: die erste Klatsche hat gereicht!

Langsam spürt er die Kälte wieder und will zurück. Zum Alkohol und zum Lärm. Aber diesmal nicht zum vergessen, sondern um sich daran zu erinnern. Sie machen neue Fußspuren in den frisch gefallenen Schnee und bevor sie fast ausrutschen, halten sie sich aneinander fest.

Montag, 28. Dezember 2009

Rückspultasten-Sehnsucht

"Warum?", dass ist das einzige was ihm im Moment dazu einfällt. "Naja, was soll ich sagen. Ich kann dir das auch nicht so genau erklären. Ich mag dich schon, aber irgendwas fehlt. Sei mir nicht böse deswegen, ich kann nicht ändern was ich fühle. Ich glaube, das liegt auch allein an mir.Wahrscheinlich bin ich einfach zu kaputt!" versucht sie das ganze zu mildern. "Ach Quatsch, du musst dich deswegen jetzt auch nicht schlecht machen. Hast schon Recht, man hat auf seine Gefühle einfach keinen Einfluss. Ich weiß auch nicht. Nur weil es sich jetzt komisch anfühlt, ist es wahrscheinlich noch lange nicht falsch. So ist das eben, immer anders!" sagt er noch, im Willen zu beschwichtigen. Aber er merkt bereits wie sich die Worte einfach auflösen wie Zuckerwatte. Das hier hat keine Konsistenz, es muss ertragen werden, wird aber auch irgendwann vorbei sein. "Ja, das stimmt. Was soll ich auch großartig sagen. Ich...." bricht sie ab, das Gefühl bestätigend. Sie wissen nicht was sie hier machen und doch sind sie sich ganz bewusst, dass das hier gerade das Ende ist, zumindest eines. Sie schauen in das Grün des Parks vor ihren Füßen und sehen dort nur die Leere, die sie auch in ihren Augen gefunden haben. Das, was sie längst verloren glaubten. Wenn sie sich doch mal direkt anschauen, erschrecken sie sich vor dem Fremden der plötzlich vor ihnen sitzt.

"Bist du dir sicher? Ich meine, vielleicht ist das auch nur eine Phase, momentan. Du magst mich doch, sagst du. Lass uns doch einfach gucken wie sich alles weiter entwickelt. Oder hab ich irgendwas falsch gemacht? Sei ruhig ehrlich, so kommen wir doch nicht weiter, irgendwas muss doch..." versucht er zu argumentieren und spürt seine Hoffnungslosigkeit zu Ignoranz mutieren, während sie ihm jedoch gleich in die völlig nutzlose Argumentation fährt: " Streng dich nicht an, ich sage doch es liegt eher an mir. Irgendwie ist das auch nicht wirklich zu erklären, weiß auch nicht. Ich glaub, das ist eines dieser Gefühle, das die Liebe so mysteriös und unerklärlich werden lässt. Was wollen wir das totdiskutieren, das macht alles nur noch hässlicher, ich will dich so wie bisher in Erinnerung behalten!"
Er schaut sie verständnisvoll an und nickt: "Ja, du hast Recht. Das macht auch nichts besser." Wieder blicken beide in den leeren Raum vor sich in der Hoffnung, er würde zumindest symbolische Hilfestellung leisten. Aber wahrscheinlich hatten zig-Tausend andere Paare die selbe Illusion auf dieser viel zu grünen Wiese für so einen Moment. Sie bräuchten eine hoffnungslos, ehrliche Wüste. Oder eine dieser typisch-amerikanischen Müllhalden, pendelnd zwischen Zerstörung und Post-Romantik. Aber dieser Park, ist nicht das, was sie sich erhofft hatten. Viel zu viele Paare, die entweder den selben Fehler begangen haben oder noch nicht so weit sind.
All das süßlich-schöne, die warme Luft, das Kindergeschrei, der Geruch von fertigem Essen aus mütterlicher Küche, der viel zu blaue Himmel, erscheint nun unerträglich, wirkt fast wie Gift. Sie möchten so nicht weitermachen. Einfach schön bunt anmalen, mit Zucker vollstopfen in der Hoffnung den bitteren Geschmack der Erkenntnis nicht zu schmecken. Das wollen sie nicht, beide. Dann lieber Unglück. Lieber weinen, und nicht rausgehen wollen, sich zuhause einschließen, den ganzen Tag wahlweise traurige Romanzen oder bestätigende Splatter-Filme schauen, sich vollfressen. Zu viel trinken, wehmütig werden und Freunde nerven. Ehrlichkeit und Vernunft bereuen, schreien, Sachen kaputt machen, schlecht schlafen und gute Launen zerstören. Aber auch irgendwann wieder aufstehen, wieder laufen lernen und schneller werden. Wieder lachen, wie beim ersten Mal. Und erkennen, das auch Scheiße schön sein kann. All das hätten sie jetzt nur zu gerne, aber das hier nicht. Nicht diesen Ort, nicht diese Menschen. Nicht sich selbst und nicht ihr Gegenüber.
Noch einmal, sich tief innig, verlangend, wütend küssen, als wäre es das erste Mal. Sich dann nicht mehr angucken, sich nur noch wegwerfen. Nutzloser Schrott, der schon viel zu lange im Keller liegt. Müllabfuhr rufen oder gleich umziehen.

Aber so geht es nicht. Sie gucken sich an und sie küssen sich auch nicht. Sie können nicht, was sie wollen.
"Ich glaube, hier ist der Punkt. Lass uns das lieber jetzt machen, als alles noch schlimmer. Da ist doch auch nichts mehr, mir fällt zumindest nichts mehr ein. Komm, ich will jetzt eigentlich alleine sein." setzt sie den längst überfälligen Schluss fest. In Realität gemeißelt. Die ganze Zeit gespürt und trotzdem noch übermalt. Aber die Farben scheinen durch. Es ist soweit.
"Ja, ich weiß. Es gibt nichts mehr und es wird nichts mehr kommen. Aber mach das hier nicht steinern. Schon klar, wir brauchen das jetzt. Aber ich glaube, nicht ewig. Lass uns gucken, dann neu sortieren. Das ist zu wichtig!" stimmt er zu und lehnt gleichzeitig ab. Er war selten soweit wie sie und jetzt wird es besonders deutlich. Frauen und Männer, Paradebeispiel 1A.
"Mach das nicht, du weißt es geht nicht. Ich hab die gleichen Wünsche wie du, aber ich führe nicht das selbe Leben. Sieh zu, dass du dein eigenes Buch schreibst, das brauchst du. Und jetzt komm her!" macht sie ihm nochmal klar, bevor sie ihn in den Arm nimmt, ein letztes Mal, so dass es besonders schmerzt. Brust und Arme in Rasierklingen-Klammern, keine Gnade. Der Schmerz frisst sich bis in´s Herz, beide. Dann lässt sie ihn los und schaut zu Boden, soweit ist sie. Er nicht, das merkt er und schluckt noch einmal, erschreckend bestätigt.
Sie blickt erst auf, als er den Park fast verlassen hat, den Weg aus Kies beschreitend, der ihn Ihr endgültig nimmt. Er blickt bereits nicht mehr zurück. Sie wusste dass das kommt und hatte deshalb bewusst länger das Gras unter ihren Füßen angestarrt.Dort, an den Büschen, die hinausgeleiten ist der letzte Moment, das Bild das ihr bleibt. Dann ist er weg und sie fühlt, dass er jetzt wirklich weg ist. Eine Träne traut sich hinaus und überquert ihre Wange, um zum Kinn zu gelangen von wo aus sie ins Gras springt. Sie lässt es zu, spürt diese angenehme Trauer, weil ehrlich, weil echt, weil notwendig.

Er verlässt den Park und fühlt sich ausgewrungen. Leer und zerquetscht. Wieder einmal merkt er, dass das männliche Geschlecht doch wesentlich emotionaler ist, als es seine Leidensgenossen je zugeben konnten. So wirklich hat er gar kein Gefühl. Eigentlich ist alles was er fühlt nur ein Wunsch danach. Er weiß einfach nicht. Sein Gehirn ist doppelt so verknotet, wie sowieso schon. Sein Herz spürt die Ketten, die es wieder angelegt bekommen hat, in sich hineinschneiden. Verwirrt und zurückgelassen entscheidet er sich, sich abzuschotten und steckt sich die Kopfhörer in die Ohren. Er macht den Player an und dreht voll auf. Betäubung, zu mehr ist er jetzt nicht in der Lage. Er würde jetzt gerne ausflippen, rumspringen, Sachen kaputttreten, durch die Gegend schmeißen, sich einfach prügeln. Aber er überlässt die physisch ausgeübte Gewalt denen, die ihm jetzt in´s Ohr schreien. Während er spürt wie der Kopf sich langsam, abgelenkt von den Gedanken anderer, abschaltet, tritt er auf die Straße. Er bemerkt nichts, so wie er nichts mehr spürt.
Erst als sie ihm schon fast auf die Schulter tippt, dreht er, irritiert durch das Surren rechts, seinen Kopf zur Seite und sieht nur noch das feiste Grinsen der elektronischen Moderne, in Form der Bahn, ihn verabschieden. Im selben Moment in dem er seine Sorgen vergisst, beginnen die Leute um das Ereignis zu schreien und vereinzelt zu kotzen. Ein paar rennen verwirrt weg und eine ältere Dame fällt, unfähig mit dem überaschenden Einbruch der kühlen Realität klarzukommen, einfach um. Niemand dort geht seinen Weg weiter, er hat sie berührt und verändert.

Sie wird aus ihrer abwesenden Melancholie gerissen durch das plötzliche Rufen und Kreischen, das von der Straße kommt, beschließt zuerst jedoch sich nicht darum zu kümmern. Erst nachdem sie nicht wieder zurückfindet, beschließt sie es ihm gleichzutun, diesen jetzt erstmal zu belastenden Ort zu verlassen. Als sie an der Straße ankommt sieht sie es und somit ihn. Sie dreht sich um und blickt nochmal wieder hin, unfähig es zu realisieren und unterschwellig hoffend, nur zu fantasieren. Die Spuren wirken wie aus Neonfarbe, brennen sich in ihr Gedächtnis. Der Körper erscheint plötzlich fremd. Die Glieder strecken sich hinfort, wie Zeiger einer Uhr. Eine Uhr, die nur eines anzeigt, das Ende.Dann blickt sie ihm in´s Gesicht, erkennt was ihr die ganze letzte Zeit gefehlt hat und ist überzeugt, ihr wurde etwas gestohlen. Sie fragt sich noch, wohin er gegangen wäre, wäre er nicht sofort gegangen. Dann gehen die Lichter aus.

Schwermut am Schreibtisch

Typische Arge-Atmosphäre im neuen Jahrtausend. Früher war das ja anders, hab ich gehört. Da hieß das noch Arbeitslosengeld. Und der Peter war noch keine Persönlichkeit, die selbst Erna von gegenüber kennt. Da nannte man so was noch Amtsstube. Und wahrscheinlich hatte man beim Besuch nicht das Gefühl 90% der Bevölkerung wäre arbeitslos.

Jedenfalls, ich heute da. Strom nicht bezahlt. Kurz vor Licht aus. Also, Mama Amt anbetteln. Och, bidde bidde! Is doch jetzt erst Weihnachten gewesen und ich war das Jahr über auch ganz artig....bestimmt! Die Dame hinter dem Tresen beäugt mich misstrauisch. Bestimmt denkt sie jetzt an ihre Kinder, die das auch immer im Dezember sagen wenn sie sich eine Brustvergrößerung, einen Jahresvorrat an Zigaretten oder das nächste Tattoo wünschen. Und sie weiß dann immer ganz genau, dass das ja nicht stimmt, weil die Polizei dieses Jahr schon mindestens vier Mal da war.
Ob sie jetzt denkt, dass ich vorbestraft bin, weiß ich nicht. Ich erwähne aber vorsichtshalber, dass ich es nicht bin. Dass ich mir noch nie etwas zu Schulden hab kommen lassen, außer das eine Mal als Grundschüler, als ich vor lauter die falschen Klamotten tragen nur die dazu passenden Freunde fand. Die mich dann dazu überredeten, doch was Süßes zu klauen, sonst gäbe es Saures. Solche Freunde waren das. Stimmte zwar nicht (also, dass mit dem sonst noch nie sich was zu Schulden kommen lassen), aber die Frau blickte jetzt trotzdem irgendwie mitleidig. So, mit jeden zweiten Satz mit So beginnen. "So, dann müssen sie das noch ausfüllen", "So, dann wollen wir mal gucken was wir für Sie tun können!".

Nachdem alles ausgefüllt, kopiert und abgestempelt war, folgte die leider programmatische Stille, während der Computer meine Bitte verdaut. Ich bin dann immer sehr zurückhaltend. Vielleicht versteht Sie meinen Humor nicht und dann interpretiert Sie was falsch, fühlt sich auf den Schlips getreten, den nicht vorhandenen. Und entschließt sich nicht freundlich zu sein, abzulehnen, mir die Unterlagen unbearbeitet zurückzugeben als wäre sie dafür nicht zuständig. Als wäre ich in Afrika und will Anzeige stellen gegen den regionalen Warlord. So lass ich mich kleinmachen, nicht von Ihr, von dem Gebäude. Der Atmosphäre, schwankend zwischen verzweifelten Familienvätern, kraftlosen Junkies und Männern, die eigentlich zur Polizei wollten, aber nicht durften. Zu unsportlich, zu ungesund, zu lebenslauflöchrig, zu vorbestraft. Und all das ergibt ein Gebräu, das nicht gut schmeckt, aber hilft. Sozial-Medizin. Sieben Tropfen täglich in die Biographie und du wirst abgestempelt. Auf dem Papier, manchmal im Bekanntenkreis und mit Pech sogar auf der Straße.

Die Innereien des Computers haben ihre Arbeit verrichtet und er scheidet das von mir benötigte Dokument aus. Stille überstanden, ohne Blessuren durch den kampflosen Kampf. Ein weiteres Rädchen im Getriebe, dem bestätigt wird, dass es sich verklemmt hat.
Ich bekomme ein Papier ausgehändigt, dass eigentlich nicht mehr bescheinigt, als dass meine Bitte bearbeitet wird. Dass ich da war. Dass muss ich bescheinigt haben, damit man mir das glaubt. Was für wundervolle Texte die Distanz zwischen den Menschen doch produziert. Bürokratische Poesie. Ein Gedicht für den Mann am anderen Ende der Leitung, am einsamen Schreibtisch irgendwo da draußen.

Schlechter Geschmack ist auch eine Weltanschauung

Zu meinen, keine nennenswerten Lebenserfahrungen zu haben ist so wie zu meinen, dass man keinen Geschmack hätte. Meistens hat man nämlich einen, der ist nur grottenschlecht.
Das bekommt man dann auch gerne attestiert, wahlweise von guten Freunden oder schlechten. Kommt ganz darauf an, wie man das Attest interpretiert und nutzt. Gibt ja auch heute noch Menschen, die trotz Entertainment-Bestseller Wirtschaftskrise und Sternburg-Sponsor Hartz-4, enttäuscht sind wenn sie vom Arzt krankgeschrieben werden und sich tatsächlich wünschen zwischen dampfenden Maschinen und Öl-verschmierten Körpern einen Herzstillstand zu erleiden, statt auf Mallorca einfach in´s Alco-Pop-Koma zu fallen. Wobei ich ja zugeben muss, dass ich diese Angst gut nachvollziehen kann und diese Art von Industrie-Fantasie wahrscheinlich gerade in bestimmten Berliner Kreisen auch ohne Todes-Implikation recht weit verbreitet ist. Obwohl man ja auch gerne, aus dem französischen heraussäuselnd, vom "kleinen Tod" in dem Zusammenhang spricht.

Naja, trotz allem reicht so ein von "ehemaligen" Freunden ausgestelltes Attest halt nicht zum Krankfeiern aus. Auch wenn man schlechten Geschmack durchaus als eine der am weitesten verbreiteten Krankheiten unserer Gesellschaft ansehen kann. Also, ich würde jedem, der zugibt gerne RTL-2 zu schauen sofort anbieten, ihn in die Entzugsklinik zu fahren und auch regelmäßig zu besuchen.
Und mitzuerleben, dass wir in einer so modernen Welt leben und trotzdem immernoch kein Medikament gegen sämtliche Dieter Bohlen Produktionen gefunden wurde, macht einfach nur traurig und wütend. Vor allem, wenn man sich mit den doch recht glaubwürdigen Theorien auseinandersetzt, die besagen, dass das Virus von der Regierung bewusst generiert und im Dschungel-Camp freigesetzt wurde, wo es von Unterhaltungs-Primaten aufgenommen und in die restliche Welt verbreitet wurde.
Aufgrund von solch Gefahren, hab ich für den Fall, dass ich ,wahrscheinlich eher ungewollt, Körperkontakt zu Miss Sixty oder Picaldi-Infizierten habe, schon seit längerem immer ein paar Aids- oder wie ich sie auch gern nenne Viva-Handschuhe dabei. Ich kann in dem Zusammenhang nur nochmal wiederholen wie wichtig Verhütung ist. Schließlich möchte man ja nicht eines morgens neben einem, auf den ersten Blick, schönem Menschen aufwachen und den unwiderstehlichen Drang verspüren, eine Mallorca-Reise zu buchen. Und ich meine die Seite von Mallorca, die mittlerweile droht wegen Übergewicht zu versinken.
Eigentlich auch eine Seuche für sich. Also, ich meine den kulturellen Aspekt von Gegenden wie der Schinkenstrasse und nicht den ästhetischen Aspekt von Übergewicht. Das muss ja jeder selbst entscheiden, wie er sich körperlich am wohlsten fühlt.

Und da wäre ich auch schon beim eigentlichen Thema: Selbstverständlich kann jeder hören, tragen und überhaupt gut finden, was man möchte. Nur sollte man dann auch dazu stehen und nicht so tun als ob Bild-Zeitung lesen schon der Beweis wäre, dass man kein Analphabet ist. Man kann halt nicht erwarten, sich sonderlich beliebt zu machen, wenn man Scheiße unterm Schuh hat und dann behauptet man hätte sich ein neues Eau de Toilette zugelegt.

Fiebertraum-Gute-Nacht-Geschichte


Es trafen sich zwei Jäger im Wald, direkt zwischen die Augen. Das gab eine riesige Blut-Sauerei. Aber keiner hat´s gesehen und das ganze Blut sickerte in den Boden, wo es viele Kleinstlebewesen ernährte. Also, eigentlich alles gut.
Allerdings kam dann ein furchtbarer, böser Bär, der eigentlich nur furchtbar und böse war, weil er seit drei Tagen nichts gegessen hatte und der Scheck vom Amt auch noch auf sich warten ließ. Nun lagen dort ja zwei nahrhafte Jäger. Der Bär konnte seinen Augen garnicht trauen und fing vor lauter Freude an Macarena zu tanzen. Doch man sollte sich nicht zu früh freuen, zumindest nicht, wenn man ein unachtsamer Bär ist.
Denn just in dem Moment in dem der Bär zu tanzen anfing und dabei natürlich seine Augen schloss, sauste ein UFO heran, bemannt mit zwei wissenschaftlich interessierten, doch unglaublich gemeinen Außerirdischen vom Planeten Hustenhoden Nonplusultra 3000 Deluxe Hypermegagamma Holla. Tja, und diese Zwei erlaubten sich doch glatt einen interstellaren, aber dennoch hinterhältigen Witz mit dem übergewichtigen Pelz-John Travolta.
Also, mir nichts dir nichts ein paar Schweinegrippe-Erreger in die totgedummten Menschen gelasert und schon zischten sie wieder ab in die unsichtbare Unendlichkeit oder was wir Menschen unter gut hergestellten Irritations-Hologrammen verstehen.
Und so starb der Bär zwar nicht qualvoll blutspuckend, doch erlebte die schwächste Grippewelle seines Lebens und die nicht-planetarischen Halunken haben dazu beigetragen, dass das Misstrauen zwischen Mensch und Tier fortbesteht, denn seitdem kaut der Bär nur noch auf jungfräulichen Kinderfleisch aus dem nah am Wald gelegenen Kindergarten herum. Ende, und wenn sie nicht gestorben sind, werden sie das bald durch Super-Aids.

Begrüßungsgeld...

....gibt es hier zwar nicht, aber jeder der dies liest ist herzlich dazu eingeladen, damit nicht aufzuhören. Von nun an werde ich hier in Abständen, von denen ich noch nicht weiß ob sie regelmäßig sein werden oder nicht, Texte unterschiedlichster Art veröffentlichen. Geschichten, Erlebnisberichte, Reportagen, Gedichte, Hasspredigten oder auch Fehlermeldungen, allem wird Raum geboten was mein kaputtes Hirn bereit ist von sich zu geben. Wenn ich denn gewillt bin euch an den dort verfassten Gedankengängen teilhaben zu lassen. Ansonsten müsst ihr mir schon den Schädel aufbohren. In diesem Sinne freue ich mich auf zahlreiche vernichtende Kritiken und besessene Stalker und wünsche jedem sich hier Verirrenden viel Spaß, so dieser denn eintritt.

In klebriger Liebe,
euer Wenco

Und den Anfang macht jetzt...